Mein Alpencross mit Brot, Salz und Wasser – 6 Etappen, 9000 Höhenmeter und 390 Kilometer mit stark eingeschränkter Nahrung. Wie es mir dabei ergangen ist und ob ich durchgehalten habe, beschreibe ich in den folgenden Zeilen. Wie ich auf die Idee gekommen bin und warum genau die Tour so gefahren wird, erkläre ich in diesem Artikel. Viel Spaß beim Lesen und Anschauen!
Inhaltsverzeichnis
- Vorstellung der Fahrer:
- Die Anfahrt und der Aufbau unseres Alpencrosses
- Die ersten Kilometer, der Hunger und wohin mit meinem Auto in Garmisch-Patenkirchen
- Die erste Nacht im Tarp und der Aufbau
- Der zweite Tag, jetzt schon ein Abbruch des Brotrides?
- Der Reschenpass und die Kirche im See
- Die Qual mit der letzten Kurve und die Panne am Berg
- Rasante Abfahrt zum nächsten Anstieg
- Der Gaviapass, Höhenflüge auf mehr als 2000 Höhenmeter und die perfekte Planung der Tour
- Der letzte Abend vor dem Gardasee
- Ab jetzt geht es nur noch bergab, oder doch nicht?
- Fazit
- Tipp zum Eisessen in Riva del Garda
Vorstellung der Fahrer:
Matthias
Ich bin Redaktionsmitglied beim Fahrradblog und schreibe hier ĂĽber meine Leidenschaft, den Radsport. Als Testtour war ich auf dem Rennsteig unterwegs und saĂź mehrmals die Woche fĂĽr ein paar Stunden auf dem Rad oder bin joggen gegangen. Eine gute Grundfitness auf dem Fahrrad ist meine Voraussetzung fĂĽr dieses Event!
Chris
Chris ist allgemein sportlich. Volleyball, Kegeln und Fußball gehört bei ihm neben dem Fitnessstudio zum wöchentlichen Training. Der Radsport ist ihm jedoch fremd. Im Vorfeld hat er 80 Kilometer mit mir trainiert und mein Reiserad ausprobiert. Sein eigenes Fahrrad ist für einen Alpencross ungeeignet.
Die Anfahrt und der Aufbau unseres Alpencrosses
Lange Zeit machte ich mir Gedanken, wir wir am besten zum Startpunkt unserer Tour kommen. Zum Projekt würde es passen, mit dem Bus, per Bahn, oder gleich mit dem Rad anzufahren. Mein Auto ist es schlussendlich geworden. Zu zweit mit zwei Fahrrädern, Packtaschen und Rucksack wurde eine Anreise per Zug/Bus leider zu teuer und zu zeitintensiv. Auf der Autobahn gingen wir noch einmal die nächsten Tage durch. Chris darf essen, was er möchte, ausgemacht ist nur, dass er mir nach Möglichkeit nichts vorisst. Eins ist gewiss, mein Appetit wird auf mehr als auf Brot aus sein! Unsere Strecken sind unterschiedlich. Meine Tour hat mehr Höhenmeter und geht öfter über unebene Wege. Für Chris habe ich eine eigene Route erstellt. Zu einfach wird diese aber auch nicht. Der Reschenpass wie auch der Umbrail- und Gaviapass befinden sich auf unser beider Wege. Nun denn, nach 5 Stunden im Auto kommen wir am Startpunkt in Garmisch-Patenkirchen an. Der Campingplatz befindet sich direkt neben einem Restaurant. Das letzte Mal für 6/7 Tage gehen wir essen. Eingekauft haben wir natürlich auch. Ich esse und trinke, was ich nur kann. Bananen, Äpfel, Fischbüchsen, Suppe, gebratene Hühnerbrust, Saft und Cola. Ich habe das Gefühl zu platzen, denke aber, als Vorbereitung auf die kommenden Tage wird es nicht verkehrt sein.
Die ersten Kilometer, der Hunger und wohin mit meinem Auto in Garmisch-Patenkirchen
Ich bin aufgeregt und hatte kaum Schlaf. Das Frühstück fällt nicht gerade üppig aus: ein Weißbrötchen und eine von insgesamt vier Brezeln auf der gesamten Tour. Mein Auto stellen wir in der St.-Martin-Straße ab. Ob es in einer Woche noch da stehen wird, weiß ich nicht. Alles ist eingepackt, das Handschuhfach leer und offen, die Lenkradsperre drin, die Handbremse fest angezogen und der Gang eingelegt. Mehr kann ich nicht tun. Ich schließe ab und wir fahren Richtung Gardasee!
Meine Route führt mich am Eibsee vorbei und rauf zur Hochthörlehütte. Die Gedanken kreisen, Chris fährt im Tal entlang. Wird er lange warten müssen, kommt er auch hier mit meinem Fahrrad klar und macht es ihm Spaß? Was sagen mein Bauch, meine Beine? Ich fühle mich fit. Die Hochthörlehütte ist schnell erreicht. Deutschland ist verlassen und Österreich begrüßt mich. Die zwei Mountainbiker, die ich traf, verlasse ich, denn Chris wartet schon in Ehrwald. Zurück im Tal geht es bis Imst zusammen weiter. Gemeinsam wählten wir aber den falschen Weg und haben den Mountainbike-Radweg genommen. Für Chris und das Reiserad (Randonneur) ist dieser Weg eine Qual. Gemeistert hat vor allem Chris dies mit Bravur!
In Imst schlagen wir unser Nachtlager auf dem Zeltplatz auf. Mein Hunger kommt hoch und ich habe verdammt viel Durst auf Cola!!! Weißbrot, die zweite Brezel und Leitungswasser nehme ich zu mir. Das Resultat sind elende Kopfschmerzen. Ich weiß nicht, ob sie von meiner Ernährung kommen oder von der Hitze. Die Cola am Ziel fehlt mir aber sehr. Na ja, ich bin fertig und schlafe eine Runde.
Die erste Nacht im Tarp und der Aufbau
YouTube ist in letzter Zeit mein neues Fernsehen geworden und so habe ich im Vorfeld viele verschieden Tarp-Aufbauvarianten angeschaut und mir Notizen in meinen Blog gemacht.
Wir brauchen lange, fast eine halbe Stunde. Am Ende ist mein Mountainbike die Zeltstange, und wir haben ein schönes „Zelt“. Es ist offen, wir können rausschauen und sehen eine Regenwolke. Noch einmal der Umbau, das Fahrrad weiter rein, sodass wir unseren „Unterschlupf“ und dessen Ausgang etwas mehr schlieĂźen können. In der Nacht haben wir auch unsere „Feuertaufe“. Wir können ein Tarp sicher aufbauen, was uns gegen Nieselregen schĂĽtzt!!! Wir sind stolz auf uns und unsere Leistung!!!
Der zweite Tag, jetzt schon ein Abbruch des Brotrides?
Der Tag fängt für uns schlecht an, da der Nieselregen noch nicht aufgehört hat. Ich muss trotzdem los. Chris hat noch einen ruhigen Tag im Tal. Auf mich warten viele Höhenmeter und zwei Weißbrötchen sowie zwei Brezeln (die letzten). Der Imsterberg geht noch recht gut, obwohl ich mich bis dahin schon einmal verfahre und etliche Höhenmeter umsonst mache!!! Ich fluche, aber noch geht es mir gut. So langsam setzt der Hunger ein, im Gepäck habe ich noch ein Brötchen. Beim Frühstück brauchte ich ewig für dieses trockene Ding. Jetzt hier oben, nachdem ich schon einmal schieben musste, war es in nicht einmal fünf Bissen weg. Verdammt, ich sage Chris Bescheid, dass ich auf die Ausweichroute gehe. Die bricht auf 1950 Höhenmeter ab und führt mich ins Tal nach Bichl. Der Haken daran ist, dass die Piller-Höhe noch erklommen werden muss. Auf der Abfahrt kommen mir ernsthafte Zweifel, ob ich wirklich hier runterfahren sollte. 200 Meter von mir entfernt war eine Hütte. Auf der hätte ich etwas essen können, um wieder zu Kräften zu kommen. Oben sah ich doch schon den Kammweg. Ganz allein wäre ich dort gewesen, um mich herum die Aussicht. Ich und mein Rad, mittlerweile auch Sonnenschein, es wäre ein grandioses Gefühl gewesen, wenn ich nicht schon eine Stunde zu lange gebraucht hätte. Ich erhole mich so langsam auf der Abfahrt.
Die Nahrungsvorräte sind aufgebraucht. Ich habe kein Wasser und kein Brot mehr. In einem kleinem Laden finde ich eine neue Flasche, nur Brot war keines mehr da, dafür Süßigkeiten, Cola und alles andere, was ich mir selbst verboten habe. Die Piller-Höhe steht noch vor mir. „Du siehst fit aus, da brauchst du maximal noch 30 Minuten“, so die gute Dame im Laden. Mein Outfit lässt darauf schließen, dass ich öfter fahre. Meine Kondition ist aber dahin. Einen Kilometer vor der Piller-Höhe setze ich mich an den Straßenrand. Sicher zwei Meter von der Straße weg! Ich bin fertig, mir wird schon etwas schwarz vor den Augen, wenn ich mich bewege. Mein Schweiß ist kalt. Chris klingelt mich an, wo ich bleibe. Er weckt mich aus meinem Halbschlaf. Zehn Minuten wägen wir ab, was wir machen. Kaufen kann ich auf meiner Position nichts. Chris hat vorgesorgt, Brot gekauft und auch eine Cola, falls nichts mehr geht. Ich fühle mich, als ob nichts mehr geht. Ich rapple mich auf, nachdem ich noch etwas sitzen geblieben bin. Meinen Körper kenne ich gut in diesen Situationen. Nach einem Radrennen ging es mir immer so, ausgelaugt und fertig. Vorsichtig beginne ich den Kilometer hochzufahren. Von Baum zu Baum hangle ich mich. Die Cola lockt! Ich bin oben, eigentlich sollte ich mir etwas überziehen. Ich bin durch, mir ist schon kalt. Ich will meinen Rucksack nicht absetzen, ich hätte ihn sonst dort gelassen. Die Serpentinen geht es abwärts, vorsichtig.
Chris wartet an der Bushaltestelle direkt im Tal (schon seit zwei Stunden). Ich komme an und setze mich hin. Die Cola lassen wir vorerst in der Tasche. Es geht geradeso, noch. Ich esse erst einmal ein Vollkornbrot. Wir wägen ab: Brotride abbrechen und normal weiterfahren. Was ist mir wichtiger: Die Originalroute oder die Art und Weise, wie wir fahren? Die Entscheidung: Wir lassen den Rest der zweiten Etappe aus. Die Cola bleibt in der Tasche! Unser Weg verläuft direkt in Richtung Reschenpass. 2100 Höhenmeter waren es bis dahin für mich.
Am Abend geht es mir aber komischerweise besser als am Vortag. Auf dem Campingplatz bestellen wir Brot vor. Chris hat an diesem Tag auch nur zwei Bananen und Äpfel mehr gehabt als ich. Beim Abendbrot können wir jetzt schon riechen, was die Nachbarn kochen. Der Appetit und der Hunger auf mehr Nährstoffe wächst. Die Gemüsebrühe der Nachbarn war bestimmt lecker.
Der Reschenpass und die Kirche im See
Am dritten Tag wird es auch für Chris ernst. Der erste von vielen Pässen kommt! Die Reschenstraße ist übrigens für Fahrradfahrer kurz hinter dem Campingplatz am Fuße des Passes gesperrt. Um mit dem Fahrrad zum Rechensee zu kommen, muss man über das Örtchen Martina und auf der Martinsbrucker Straße bis Nauders fahren. Die Ausweichroute für Radfahrer bürgt zwar etwas mehr Höhenmeter, dafür ist man aber an den Serpentinen fast allein unterwegs. Ab Nauders führt uns der Weg auf einen separaten asphaltierten Radweg weiter. Zusammen mit drei anderen Radfahrern (unsere Routen überschneiden sich seit fast einen Tag), erblicken wir das erste Mal den Reschensee und die Kirche im Wasser.
Der Reschensee ist ein angestauter See, ihm fielen die Orte Graun und teilweise Reschen zum Opfer. Übrigens wurden die Eigentümer zwangsenteignet und einen Realersatz gab es auch nicht. Das ist der fade Beigeschmack an dieser wunderschönen Gegend und dem blauen Reschensee. Die Kirche im Wasser erinnert uns daran, dass hier mal Ortschaften waren.
In diesem See gehen wir dann doch nicht baden. Einerseits ist er gerade recht kalt und wir wollen noch bis Santa Maria Val Müstair am Umbrailpass. Es ist auch schon um zwei durch. Wir setzen uns wieder auf unsere Fahrräder und sagen zu unseren drei Weggefährten „Auf Wiedersehen“. Der Radweg ist wirklich schön, vorbei am Staudamm und den unendlich vielen Sprinklern. Es ist heiß hier. Da vorn ist ein Sprinkler, der fast auf den Weg spritzt. Ich stelle mich darunter. Chris hat darauf zwar keine Lust, macht aber netterweise ein Bild und mir wird endlich der Kopf wieder etwas kühler.
Bis zum Campingplatz in Santa Maria fahren wir noch ein paar Meter, und ab Schluderns ist der SpaĂź des Rollenlassens auch wieder vorbei. Es geht hoch, der Radweg wird zum Schotterweg und die Beine sind auch nicht mehr das, was sie heute frĂĽh waren. Auf dem Campingplatz kommen wir dennoch an und ich werde gleich erkannt und begrĂĽĂźt. Letztes Jahr war ich auch schon hier. Damals mit Chris‘ Fahrrad, nur so sehr beladen, dass man mich kaum hinter den Packtaschen erkannte.
Die Qual mit der letzten Kurve und die Panne am Berg
Wir stehen frĂĽh auf, genauer gesagt, steht Chris schon vor unserem Tarp. Seine Seite ist wie die letzten Tage auch schon wieder in seinen Packtaschen verschwunden. Ich bin kein Morgenmensch. Als der Wecker das erste Mal klingelte, war es 7:30 Uhr. Jetzt zeigt mein Handy schon 8:00 Uhr. Allein wĂĽrde ich noch liegen bleiben, um es mir aber mit Chris nicht zu versauen, stehe ich mal lieber auf. Ich werde eh noch mindestens eine Stunde brauchen. Zum GlĂĽck kennt er mich schon seit der Grundschule und weiĂź, dass mit mir vor 9:00 Uhr nicht viel los ist.
Chris ist schon zwei Kurven weiter bzw. überhaupt schon zwei Kurven gefahren, da steh ich noch unten und bereite mich vor. Mein Sitzfleisch schmerzt höllisch von den letzten drei Tagen. Ich habe sogar eine kreisrunde gescheuerte Stelle, die ich nur durch Sitzcreme ertrage. Die Uhr sagt 9:40 Uhr, ich muss jetzt hinterher düsen, strampeln. Nach ein paar Serpentinen habe ich Chris eingeholt. Mein Körper stellt sich so langsam auf den Berg ein. Die Beine funktionieren trotz Brot recht gut. Wir schnaufen uns den Berg hoch. Die Serpentinen hören auf. Jetzt geht die Straße links und rechts zwischen den Bergen entlang. Der kleine Bach und die Viehherden sind neben den Bergen die Hauptattraktion. Ich fühle mich wohl hier. Letztes Jahr spürte ich schon diese Freiheit, das schroffe für mich lebensfeindliche Klima auf 2000 Höhenmeter. Wir kommen an dem zweiten Teil des Passes an. Der Schnee, so wie ich hoffte, ist schon dahingeschmolzen. Die nächsten Kurven bleiben.
Auf einmal knallt es. Die Kette an Chris‘ Rad ist zwischen die Speichen und das Ritzel gerutscht und durch einen festen Tritt noch einmal straff angezogen. Am StraĂźenrand versuche ich die Kette durch Ziehen aus ihrer engen Lage herauszulösen. Es hilft alles nichts. Das Kettenschloss bekomme ich nicht auf. Ich löse mit meinem Multitool einen Niet. Das Hinterrad nehmen wir raus. Jetzt ist erst einmal Arbeitsfreiheit geschaffen. Durch Hebeln der Kette bekomme ich sie schlussendlich aus ihrer misslichen Lage. Das Rad wieder rein, die Kette zusammen genietet und die Hände sind voller Erstaunen tief schwarz. Ich Idiot, dachte ich am Anfang, dass ich keine Handschuhe dabei habe. Gerade fällt mir ein, dass jeder von uns zwei Paar in seinem erste Hilfepäckchen mit sich trägt. So gut es geht, wasche ich mir die schmierigen Hände mit der Seife und dem Wasser aus der Trinkflasche.
Nach einem Weißbrötchensnack geht es weiter. Chris hat schon langsam keine Lust mehr, was auch an der Übersetzung liegt. Wenn man bei seinem Rad unter 7 km/h fährt, wird es ungemütlich langsam. Der Umbrailpass ist relativ steil für uns und das Gepäck und wir fahren seit zwei Stunden genau an dieser Grenze. Die Oberschenkel brennen. Ich weiß, dass wir oben ankommen, wenn wir das Zollhäuschen sehen. In meiner blassen Erinnerung würde es auch gleich nach der nächsten Kurve kommen. Ganze 5/6 Mal kommt es nach der nächsten Kurve. Chris schreit den Berg schon an. Eigentlich meint er mich, denn ich habe die Route ausgewählt. Endlich, das Zollhäuschen! Wir sind oben, klatschen in die Hände, lassen schnell ein Bild machen und ziehen uns etwas über.
Die Anstrengungen, die uns eben noch an den Rand der Vernunft und der abschweifenden Worte gebracht haben, sind fast vergessen.
Rasante Abfahrt zum nächsten Anstieg
Die Abfahrt wird der Wahnsinn. Bormio ist das Ziel der nächsten Stunde. Unendlich viele Kurven sind auf dem Weg. Meine Bremse quietscht gewaltig. Ich hätte die Bremsbeläge schon eine Woche eher wechseln sollen, um sie zu testen. Jetzt muss ich damit leben. Wir benutzen sie unfreiwillig, um in den Tunneln auf der Abfahrt die anderen Autofahrer auf uns aufmerksam zu machen. Nach 40 Minuten Abfahrt sind wir im Tal. Bormio sieht typisch italienisch aus. Wir kommen vorbei an kleinen Gassen und Häusern mit mehreren Etagen sowie Balkonen mit leicht angerosteten Geländern.
Hinter Bormio fahren wir nach Santa Caterina wieder hoch. Gezeichnet vom Umbrailpass, bleiben wir an einem Wasserspender stehen. Auf der Wiese davor machen wir Rast. Wir sitzen einfach, kommen nicht mehr weiter. Wir wissen, dass es nicht mehr weit ist, aber wir sitzen wie verwurzelt. Der Gaviapass steht morgen an, und jetzt schaffen wir nicht einmal die letzten Höhenmeter bis Santa Caterina. Chris legt sich aufs Gras. Wir dösen dahin, trinken und essen Weißbrot. Weißbrot ist mittlerweile zu meinem Energieriegel geworden. Chris hat Cola und RedBull für sich entdeckt. Wir rappeln uns auf und fahren noch die letzten Meter unter völliger Entkräftung. In Santa Caterina gibt es keinen richtigen Zeltplatz, aber einen Stellplatz für Camper. Auf dieser Wiese machen wir es uns bequem. Eingekauft haben wir ja schon.
Der Gaviapass, Höhenflüge auf mehr als 2000 Höhenmeter und die perfekte Planung der Tour
Früh morgens stehe ich auf, fast zeitgleich mit Chris. Die Nacht war unbequem wie nie. Unsere Rücken fingen so langsam an, über die Isomatten zu schimpfen. Taschen packen, Trinkflaschen im Ort auffüllen, und dann geht es ran an den Berg. Der Gaviapass ist leichter zu fahren als der Umbrail. Er ist nicht so steil. Wir kommen gut voran, wir fluchen nicht einmal. Es macht einfach Spaß. Kurve für Kurve, Pedalschlag für Pedalschlag, mit kleinen Pausen aller 300/400 Höhenmeter, legen wir zurück, um nicht wieder in ein Tief wie am Vortag zu fallen. Oben auf dem Berg sind wir glücklich und fühlen uns wie Sieger. Die Bilder für unsere Freunde sind geschossen. Wir fühlen uns großartig, wir haben etwas geschafft und wir sind geschafft.
Die Abfahrt nach Ponte di Legno war wieder lang, aber nicht so schön wie die vom Umbrail hinab. Im Tal angekommen, holt sich Chris ein belegtes Brötchen. Ich esse etwas Weißbrot. Allgemein habe ich den ganzen Tag nicht viel gegessen, verspüre aber auch keinen großen Appetit. Der Schock sitzt tief, als wir bemerken, dass es nicht im Tal weitergeht, wie es den Anschein auf der Karte machte. Der Passo del Tonale wartet noch auf uns. Mit 1884 Höhenmeter ist dieser nicht so hoch. Wir sind noch auf 1300 Höhenmeter, jedoch hat uns der Gaviapass auch schon einiges an Kondition abverlangt. Chris kauft sich Gummibärchen und noch eine Cola. Ich will weiter bei Weißbrot bleiben. Morgen sind wir am Gardasee. Einen Tag vor Ende breche ich jetzt nicht ab!
Unser beider Wille beflügelt uns. Die Cola und die Gummibärchen geben Chris die nötige Energie, die ich zum Glück durch mein Training auf dem Rad noch irgendwo herhole. Oben auf fahren wir aber wirklich bis Dimaro nur noch bergab, ohne auch nur einen Meter wieder hoch zu müssen.
Der letzte Abend vor dem Gardasee
Wir bauen auf dem Campingplatz unser Tarp auf, durch die Hitze auch mal anders. Es ist offen auf beiden Seiten, sodass der Wind durchweht. Chris geht ins Restaurant und bestellt sich Nudeln. Ich schaue mir an, wie weit es noch bis zum Gardasee ist und folge ihm, um mir ein Glas Wasser zu bestellen. Spät am Abend sehen wir Blitze durch das Tarp hindurch. Der Himmel weiter unten im Tal bebt. Uns fällt ein, dass unser Tarpaufbau heute absolut nicht für so ein Wetter geeignet ist. Nicht, dass wir es nur an vier Heringen fest gemacht haben. Nein, diese sind nicht mal richtig im Boden versenkt, da er knüppelhart ist! Eine halbe Stunde schauen wir dem Spektakel am Himmel zu, bis wir entscheiden, nichts zu ändern und abzuwarten.
Ab jetzt geht es nur noch bergab, oder doch nicht?
Von Dimaro sind es bis an den Gardasee geschätzt 90 km und ein Berg, denke ich.
Los geht es, wie die letzten Tage, mit einem Berg. Der Unterschied des heutigen Morgens war aber, dass ich vor Chris aufgestanden bin. Auch wenn es nur Sekunden waren. Motiviert trotz der Kilometer und Höhenmeter der letzten Tage gehen wir an den Pass. Gemütlich und ohne Stress fahren wir los. Ohne weitere Vorkommnisse haben wir ihn auch durch unsere Übung überwunden.
Ab jetzt geht es nur noch bergab. Das stimmt auch so weit. Bis Tione, ab da ist es flach. Wir müssen schon treten, um weiter voranzukommen. Links oder rechts? Links, das ist der Radweg nach Stenico. Voller Vertrauen in uns und unseren Sinn nach neuen Höhenmetern fahren wir links und fahren doch wieder nach oben. Zurück wollen wir auch nicht, da wir sonst auf der Straße fahren müssten. Vielleicht haben wir aber auch nur ein Schild überlesen. Von Stenico genießen wir einen schönen Blick in Richtung Gardasee und das Gewitter, welches über die Berge zu uns heranzieht. Wir fahren schnell weiter, nur noch bergab. Wieder eine Entscheidung: Riva, 28 Kilometer oder 30 Kilometer? Natürlich 28 Kilometer über Ballino. Wieder einmal nur bergauf, das wars dann aber auch. Das Gewitter zieht heran, es blitzt und donnert, es ist laut, windig, regnerisch. Wir fahren so schnell wir können, bis uns die Hagelkörner unter die Bäume zwingen. Nach einer Viertelstunde ist der Spuk vorbei und ab Ballino hat es gar nicht mehr geregnet.
Wir sind pitschnass und suchen eine Unterkunft. Eine Jugendherberge ist angebracht, recht günstig und in Ordnung. Zwei Plätze sind sogar noch frei. In Riva ist diese nicht weit vom See und dem Trubel entfernt. Jetzt wissen wir auch schon, wo wir schlafen. Noch einmal aufs Rad, die letzten 200 Meter warten.
Wir haben es geschafft! Die Bilder lassen wir schnell knipsen und dann direkt unter die Dusche.
Frisch geduscht und mit den am wenigsten stinkenden Klamotten, setzten wir uns ins nächste Restaurant! Wir haben es uns verdient.
Fazit
Sehr erstaunt waren wir über die schnelle Wirkung von Cola, RedBull und Gummibärchen. Chris nahm dies an den Bergen zu sich und keine zehn Minuten später lief es gleich viel besser. Sein Körper hatte noch einmal Kräfte mobilisiert, die er zuvor nicht für möglich hielt. Am Abend dachten wir darüber nach, was mit der ganzen Energie beim TV-Schauen passiert?
Brot als solches ist lecker und ich wusste es zuvor wirklich nicht so zu schätzen. Ein Vollkornbrot ist gegen Weißbrot ein Höhenflug, was den Geschmack angeht. Wenn ich am Berg Hunger bekam, hat ein Weißbrot vom Mund bis zu den Beinen ungefähr 45 Minuten gebraucht, oder ich redete es mir nur ein. Wie dem auch sei, man kann sich eine Zeit lang nur von Brot ernähren! Der Appetit auf mehr und das ständige Gefühl, Obst und Gemüse essen zu wollen, ist aber nicht zu verachten.
Toastbrot macht übrigens wirklich nicht lange satt. Eine Stunde, nachdem ich zehn Scheiben gegessen hatte, kam der Hunger zurück.
Tipp zum Eisessen in Riva del Garda
Im Eiscafe Flora kann ein richtig leckeres Eis essen. Eine Kugel kostet zwar einen Euro, ist aber riesig und der Geschmack ist einfach großartig! Ein leichter Wassernebel lädt auch bei Hitze zum Verweilen ein.
Hinterlasse jetzt einen Kommentar