Das 15,3 kg Fatbike von Scott befindet sich bei uns im Praxistest. FĂŒr den Testbericht haben wir das Scott Big Ed durch das Terrain gefahren, in das es gehört. Matsch, Wasserlöcher und tiefer Sand. AuĂerdem sind wir mit dem Fatbike in den Skatepark. Im Testbericht findet du alles, was du bei einer Entscheidung fĂŒr oder wider das Scott Big Ed Fatbike wissen musst.
Vor weniger als einem Jahr stellte Scott das Big Ed Fatbike auf der Eurobike 2014 vor. Jetzt halte ich das Scott Big Ed in meinen HĂ€nden und freue mich, euch das Testbike vorstellen zu können. Die Optik ist Scott auch bei diesem Bike gelungen. Gerade Linien in Kombination mit ein paar schönen Kurven. Farblich musste ich mich erst darauf einlassen. Als klassischer Rot-Schwarz-Freund, ist eine Blau-GrĂŒn-Schwarz-Kombination vollkommen neu. Nach zehn Minuten starren Blickes war ich dann ĂŒberzeugt.
2.399 Euro kostet das Scale Big Ed vom Schweizer Unternehmen. FĂŒr diesen Preis kauft man sich eine Maschine mit 15,3 kg auf der Waage. Was schwer klingt, ist in Wirklichkeit leicht. Das Fatbike kommt ohne Carbonrahmen. DafĂŒr robustes Aluminium. Und die vormontierten 4,5 Zoll Reifen von Kenda sind mit die schwersten am Markt. Der Juggernaut Sport bietet also gleich erstes Potential zum Abspecken. Maximal bietet der Rahmen Luft fĂŒr einen 4,8 Zoll Reifen wie etwa den Schwalbe Jumbo Jim, der im Satz gut 600g weniger wiegt.
Inhaltsverzeichnis
Herstellerdaten und Grundausstattung
Scott Big Ed Testbericht
Eine Federgabel am Fatbike?
Viele Berichte besagen ja, dass die Federgabel gar nicht nötig ist. Ich kann euch sagen: wer ein Fatbike ordentlich tritt, braucht eine Federgabel! Es schlÀgt schon ordentlich in die Arme, wenn das Fatbike von 80 cm Höhe oder mehr, direkt auf den Boden aufprallt. Ob die RockShox Bluto dabei geschlossen oder geöffnet war, machte einen sehr heftigen Unterschied.
Fatbikes ohne Federgabel mögen im Trail etc. genau so komfortabel sein wie jene mit einer Feder. Fahrer die SprĂŒnge lieben, werden aber zwangsweise auch eine Federgabel lieben. Ich rate euch dringend dazu.
Wer wirklich gar keine SprĂŒnge mit dem Scott Big Ed plant, könnte ĂŒber den Austausch der RockShox Bluto gegen eine Starrgabel nachdenken und dadurch nochmal Gewicht einsparen. Allerdings kommt auch dann der Fahrkomfort der dicken Reifen erst zustande, wenn der Luftdruck gesenkt wird. Dank Federgabel fĂ€hrt sich jeder Reifen auch mit mehr Druck bequem.
SRAM-Schaltgruppe
Das Fatbike kommt mit einer soliden SRAM X7 und X9 Kombination. Nach ein paar Feinjustierungen funktionierte die Gruppe gewohnt sauber. Ich mag es persönlich sehr, an der Kurbel noch zwei BlĂ€tter zu fahren. Ich weiĂ aber auch, dass der Trend lĂ€ngst zu einem alleinstehenden Blatt geht. Am Fatbike begrĂŒĂe ich es aber diesen Kompromiss nicht eingehen zu mĂŒssen.
Zwei BlĂ€tter bedeuten am Big Ed: ich kann extrem steile HĂ€nge langsam hochklettern. Sichere Abfahrten im Gegenzug aber auch mit 35 km/h und schneller genieĂen. Sofern es noch ein Genuss ist, wenn die dicken Reifen mit ihrem kernigen Profil fĂŒr ordentlich Vibration am Lenker sorgen. WĂ€hrend meiner ersten Testfahrten reichte mir das kleine Blatt auf ebener Strecke mehrfach nicht aus. Berge bezwang ich aber im Gegenzug auch nicht auf dem groĂen Blatt.
Fazit: Ich brauche zwei BlĂ€tter und bin froh, dass Scott am Big Ed Fatbike diese verbaut hat. Viele andere Hersteller versuchen bereits die Kunden mit einem Blatt zu ĂŒberzeugen. Es stöĂt auf gemischte Meinungen.
Kenda Juggernaut Sport 4,5 Zoll Reifen
Von Haus aus verbaut Scott am Big Ed die breiten Kenda Juggernaut Sport 4,5 Zoll Reifen. Ein Reifen kommt auf 1.580g. Ein stolzes Gewicht, was aber auch am sehr groben Profil liegt. Die Gummis sind vergleichsweise hart und im Vergleich zum Schwalbe Jumbo Jim auch mit wesentlich mehr Profil ausgestattet.
Das Einsatzgebiet vom Juggernaut Sport ist daher unmissverstÀndlich klar. Er will ins Wasser, in tiefen Matsch und in ordentlich sandige Landschaften. Ich habe ihm bei meinen Testfahrten alles geboten was er sucht.
Durch den Sand, der teilweise 10 bis 20 Zentimeter tief war und eher aus einer Staubsubstanz statt aus körnigem Sand bestand, kam ich mit dem Juggernaut gut durch. Wo ich mit jedem normalen MTB Reifen lÀngst stecken blieb, ging es hier weiter. Ohne seitlich zu rutschen.
Im tiefen Matsch hatte ich kurzzeitig das GefĂŒhl die Kontrolle zu verlieren. Allerdings krallt sich der Kenda Juggernaut dann doch ziemlich in den Boden und schaufelt den Untergrund hinter sich. Der Vortrieb ist langsam aber konstant. LĂ€sst man sich darauf ein, wĂŒhlt das Fatbike ordentlich durchs Wasser-Erd-Gemisch und bringt einen auch dreckig aber sicher wieder raus.
Auf beiden UntergrĂŒnden gab es aber natĂŒrlich irgendwann auch Grenzen. Sand war immer dann kritisch, wenn er die LaufrĂ€der unten komplett verdeckte. Dies war so ziemlich die maximale Tiefe durch die ich mich arbeiten konnte. Beim Matsch war es kein Problem, den Reifen komplett zu versenken. Wichtig war nur, nicht aufzuhören zu treten und möglichst nicht im leichtesten Gang zu fahren. Ganz klassisch also. Kam zum Matsch noch eine leichte Steigung, stand der Juggernaut auch an dieser Stelle still und ich mit beiden FĂŒĂen in der BrĂŒhe.
Fatbike fahren im Schnee: der Winter ist da und es liegt endlich Schnee. Und so konnte ich das Scott Big Ed Fatbike im Schnee fahren und meine Erfahrungen sammeln. Der Juggernaut Sport macht eine ĂŒberraschend gute Figur. Meine Meinung war durch ein paar ForenbeitrĂ€ge etwas geprĂ€gt, in denen viele behaupten der Reifen wĂŒrde fĂŒr SpaĂ im Schnee zu hart sein.
Etwas mehr als 60 km habe ich im Schnee nun hinter mir. Im frischen Schnee wie auch auf festgefahrenen Schneedecken und leicht vereisten FlĂ€chen. Je weicher der Schnee wird, desto angenehmer fĂ€hrt sich das Fatbike mit niedrigem Luftdruck. Feste Schneedecken können auch mit wenig Druck befahren werden und es gibt dadurch ein stabileres GefĂŒhl. Doch auch harte Reifen bieten Grip. Der Juggernaut hat an keiner Stelle versagt. Selbst wenn auf Feldwegen wegen des Schnees mal von der Fahrbahn abgekommen wird, ist es nie unsicher.
Die Bremskraft wird wunderbar ĂŒbertragen. Die sehr harten Stollen stechen in die Schneedecke und bringen das Fatbike zum stehen. Ich bremse bevorzugt vorne und nehme die hintere Bremse nur zur UnterstĂŒtzung. Wer eher hinten bremst wird bei zu hohem Luftdruck viel rutschen. Da hat der Juggernaut kaum noch Biss. Anstiege waren gut zu schaffen, vor allem natĂŒrlich mit wenig Luftdruck.
Ich mag den Reifen bei Schnee und die Geometrie vom Scott Big Ed ist meiner Meinung nach auch fĂŒr den Winter wunderbar geeignet.
Fazit: Ich mag den Juggernaut Sport. Klar, er hat extrem viel Rollwiderstand auf Asphalt und fordert daher wirklich Muskelkraft, aber was solls, dafĂŒr trainiert er auch die Muskeln. Und im GelĂ€nde spielt er seine Vorteile grandios aus. Wie lange das Gummi hĂ€lt, werde ich euch sicher bald mitteilen können. Wer einen Reifen mit irre viel Grip im GelĂ€nde sucht, ist mit dem Juggernaut Sport in der 4,5 Zoll Version tatsĂ€chlich gut bedient.
Wie fÀhrt sich ein Fatbike?
Die Frage, wie sich ein Fatbike fĂ€hrt, wurde mir in den letzten Tagen oft gestellt. Es sieht unbequem aus. Ist aber tierisch bequem. Komfort wirklich beim Fatbike groĂgeschrieben. Von der LautstĂ€rke der Reifen auf Asphalt jetzt mal abgesehen. DafĂŒr hören aber FuĂgĂ€nger und andere Radfahrer das Fatbike bereits auf groĂe Distanz.
Ja, und ansonsten fĂ€hrt es sich leicht. Die 15 kg rollen leicht an und bewegen sich dann konstant. Bergauf sorgt die Schaltgruppe natĂŒrlich fĂŒr die benötigte Ăbersetzung. Es fĂ€hrt sich fĂŒr mich wie andere MTB auch. Mit meinem Rennrad darf ich natĂŒrlich keinen Vergleich ziehen.
Mit einem Fatbike kannst du jeden Quatsch machen, der mit dem MTB auch funktioniert. Meistens sogar viel einfacher. Zum Beispiele ein Wheelie.
Alternativ funktioniert der Wheelie mit einem Fatbike aber auch im Stand top!
Wer noch ĂŒbt, kann auch einfach den Luftdruck senken. Dadurch hat der Reifen mehr AuflageflĂ€che und ein Wheelie geht wesentlich einfacher. Ruhig mal selbst probieren.
Video: Wheelie mit Fatbike
Ein echter Hingucker
Was mir am Anfang unangenehm war, waren die Blicke anderer Menschen. Ehrlich, ich fahre sonst mit dem Rennrad und werde absolut nicht beachtet. Auch fĂŒr mein normales Scott Scale 930 interessiert sich niemand. Das Big Ed Fatbike zieht die Blicke aber magisch an. Willst du nicht auffallen, solltest du niemals auf einem Scott Big Ed unterwegs sein.
In den Fahrpausen kommen die Leute direkt auf mich zu und fragen mich ĂŒber das Fatbike aus. Sie wollen sogar eine Probefahrt machen. Die gewĂ€hre ich auch, klar! Danach sind die Leute ĂŒberrascht ĂŒber die Leichtigkeit die Big Ed mitbringt. Bisher hat mich auch noch niemand nach dem Preis gefragt. Im Rennrad-Bereich kommt diese Frage ja hĂ€ufig, beim Fatbike noch nie. Sicher wird sich das noch Ă€ndern.
Der Sound der Reifen lockt natĂŒrlich ebenfalls Blicke an. Durch die Stadt komme ich ohne neugierige Blicke und Fingerzeige gar nicht. Rote Ampeln sorgen immer fĂŒr einen Small-Talk. Der kurze Halt beim Fahrradladen zieht neue Besucher an. Und die Kunden die bereits im Laden sind, bleiben gerne auf ein GesprĂ€ch lĂ€nger.
Fazit
Was bleibt mir zu sagen. Ein Fatbike wie das Scott Big Ed, ist ein ganz besonderes Fahrrad. SchwerfĂ€llig? Niemals. Leise? Niemals. Hindernisse? Es gibt nur wenige die das Big Ed tatsĂ€chlich zum Stillstand bringen. Das gröĂte Hindernis ist i.d.R. die eigene Muskelkraft.
Technisch ist das Scott Big Ed auf einem hochwertigen Niveau mit sehr soliden Komponenten. Ich habe im Testbericht bewusst auf Detailaufnahmen von Bremsen, Schaltgruppe etc. verzichtet, da jeder weiĂ wie solche Bauteile aussehen. Es funktioniert alles zusammen prima. Der Rahmen gefĂ€llt mir von der Geometrie sehr gut und bietet vor allem auf Trails eine Menge SpaĂ.
Ob ich bei den Pedalen tatsĂ€chlich die Philosophie âFlat am Fatâ weiterlebe, weiĂ ich noch nicht. Am Sound der Reifen höre ich ja permanent den unrunden Tritt. Und da ich vom Rennrad und meinem anderen MTB bereits viele Jahre Klickpedalen und runden Tritt gewohnt bin, ist das jetzt befremdlich. Ich denke, in Zukunft rollt das Scott Big Ed mit Klickpedalen.
Der Preis von 2.399 EUR (UVP) ist meiner Meinung nach sehr fair und gĂŒnstig. Klar ist es eine hohe Summe, aber der Gegenwert stimmt. Ein Fatbike dieser QualitĂ€t inklusive einer RockShox Bluto ist die Summe wert. Von mir gibt es eine eindeutige Kaufempfehlung. Lange wird Big Ed aber nicht mehr erhĂ€ltlich sein, da es eine limitierte Auflage ist!
Ich bin 184 cm groĂ und habe Big Ed in der GröĂe L getestet. Es passt von der GröĂe wunderbar und erfordert keinerlei Kompromiss.
Eins der wenigen Fatbike was ich ich noch testen muss. Das Fatbikes auffallen ist eigentlich normal ;)
Toller Blog und schöne Schilderungen. Bin derzeit auch am Ăberlegen mir ein Fatty anstelle eines Standard-Hardtails zu holen.
Ich wohne zwischen Rhein und Eifel und darf stets rauf und runter biken – wie sieht es bergauf aus:
Lassen sich die Fatties relativ rund treten oder ist der Widerstand deutlich höher als ĂŒblich? Steigt das Vorderrad schnell? Seit Jahren fahre ich ein Light-Enduro von Rotwild mit 2,4 Zoll Schlappen und das eine oder andere Mal will mein Enduro einfach vorne steigen ….;-))
GruĂ
Bevor bei einem Fatbike das Vorderrad steigt, geht einem i.d.R. die Muskelkraft in den Beinen aus. Oder man verliert â was Ă€uĂerst selten vorkommt â hinten die Haftung. Ich fahre zwar inzwischen von Canyon das Dude CF 9.0 (Testbericht folgt diese Woche) aber ich bin auch mit dem Big Ed sehr zufrieden gewesen.
Dude ist mehr auf Trails ausgelegt. Sportlichere Geometrie und es drÀngt immer mÀchtig nach vorne. GefÀllt mir einfach besser. Und es ist selbstverstÀndlich auch ein paar Kilogramm leichter.